un jour normal á l´école

Ein ganz normaler Chaos-Tag in Les Pigeons

Der Alltag ist eingekehrt – noch nicht ganz, aber fast. Es ist ruhig in Les Pigeons, einzelne Lehrerstimmen dringen aus den Klassenräumen. Ich frage mich ja, ob irgendwer in der Französisch-Grammatikstunde, die auf Französisch abgehalten wird, aber mit einem Akzent, den nicht mal ich verstehe, irgendetwas begreift. Und Mathematik sieht so gruselig aus wie schon in meiner Jugend.

Anderes ändert sich: im Kindergarten gibt es jetzt weniger Frontalunterricht, und das mit den Schuhen hat auch endlich geklappt, drinnen aus, draußen an. Eine Mutter empört sich, ihr Kind würde manchmal auf eine MATTE gesetzt, ob wir denn keine Stühle hätten? Und Holy beruft eine Elternversammlung ein – die Eltern dürfen auf STÜHLEN sitzen und sind glücklich – um ihnen meine verrückte moderne Pädagogik zu erklären.

Jeden Montag wird es noch verrückter, da mache ich Unterricht, von morgens bis abends, alle Klassen, uff. Diesen Montag waren wir die Erde, das CO2 und die Sonnenstrahlen, die durch das CO2 leicht hinein zur Erde kamen, aber dann, weil die CO2-Kinder sich fest an den Händen hielten in ihrem Ring, schwieriger wieder hinaus … Ein großer Junge findet das alles reichlich kindisch, für die meisten anderen ist vermutlich nicht nur neu, dass es die Klimaerwärmung gibt, sondern auch, dass die Erde rund ist. Der große Junge darf nächstes Mal einen Vortrag zum Thema Erdöl und Erdgas halten. Ich bin SEHR gespannt.

Wir verziehen uns erstmal in den Saal und malen Urwaldblätter, um an der Wand nächstes Mal einen Baum aus Papier und Farbe zu pflanzen, der unser CO2 auffrisst. Urwaldblätter .. hm .. wie gehen die? Diese Kinder haben ja nie einen Urwaldbaumgesehen, stimmt.

Ich schleppe Bücher aus der Bibliothek an …

In einer jüngeren Klasse sind wir Raketen und fliegen zum Mond, den ich im großen Saal mit Kreide auf die Erde male, da muss man ganz komisch hüpfen, wenn man da ist – was ist eigentlich Schwerkraft? Und wo ist die größer und warum? Dann bekommt der Boden-Mond Strahlen und wird die Sonne, und da verbrenne ich leider, und dass die soooo groß ist, erstaunt alle sehr. Wir kreisen als Erde um die Sonne und als Mond um die Erde, das ist gar nicht so einfach, wenn man das gleichzeitig macht, wird einem wirklich schwindelig, arme Erde.

Am Ende malen wir Raketen, es gibt Beispiele in einem Buch, aber alle sitzen lange stumm vor weißen Blättern, denn Eigenkreativität wird sonst nicht von ihnen verlangt. Als eine nette Lehrerin dann auch eine Rakete malt und ich auch, geht es langsam voran, und am Ende, als die Stunde eigentlich aus ist, will keiner aufhören, zu malen.

Dann lesen wir in der ersten Klasse auf dem Bibliotheksfußboden ein Buch ohne Worte, das heißt, wir erzählen es uns gegenseitig, übrigens seeeehr empfehlenswert, DIE REISE, alle machen mit, Holy übersetzt fleißig wie in allen Stunden, und die Kinder kleben mit den Augen am Buch. Nächstes Mal kommmt die Fortsetzung, DIE SUCHE.

Ist jetzt aus? , frage ich hoffnungsfroh. Nö, jetzt ist Deutschunterricht, in der Mittagspause der anderen. Ach so, stimmt, ich habe ja auch noch zwei 17jährige Deutschschüler. In der Bibliothek ist es schön ruhig und luftig, wenn man die Tür zum Lesegarten öffnet, der NOCH nicht in Benutzung ist, denn selbstständig lesen ist nichts, was diese Kinder tun – klar, es gibt ja auch keine Kinderbücher auf Malagasy. Das werden wir ändern, Nomen, mein einer Deutschschüler und Holys Sohn, wird ab jetzt französische Kinderbücher auf Malagasy für uns übersetzen, damit die Kinder irgendwann auch neue Welten entdecken können, die völlig umsonst sind und für die man keinen Fernseher braucht. Lesen macht Kinder natürlich aufmüpfig, ich bin hoffnungsfroh.

Ist jetzt aus? Nee, jetzt fängt der Nachmittagsunterricht an.

Also gucken wir uns einen Bilderatlas an, wow, da ist sogar Madagaskar drin, und lauter tolle Bilder von Tieren, und dann verreisen wir mit Augen zu und dem Finger auf der Weltkarte nach Australien und in die USA und puzzlen zwei Weltkarten zusammen, das heißt, wir fangen mal damit an, denn puzzlen muss man auch erst lernen. Nein, zwei Teile passen nicht zusammen, wenn sie komplett unterschiedliche Farben haben und man gaaanz fest drücken muss. Und erst kommt der Rand. Aha? Bis nächste Woche soll diese (sechste) Klasse die beiden Puzzle, die jetzt hinten im Klassenraum auf Tischen liegen, fertig gemacht haben, naaaa, ob das was wird.

Am Ende bin ich KO, und jetzt habe ich die 11. Klasse und keine Lust mehr auf Klimawandel oder Weltall, die auch nicht, alle sind müde, wir üben also für die Weihnachts-CD und singen Kling Glöckchen auf deutsch. Das ist mit riesigen Jungs mit tiefen Stimmen sehr sehr lustig. Dann will ich drei Minuten früher Schluss machen, schließlich ist es halb sechs Uhr abends (NEIN! Drei Minuten VOR halb sechs!), und der Klassenlehrer, der eben zum Gucken vorbeikam, findet das völlig unverständlich, die Kinder sind erstaunt. Oweh, armes Madagaskar, drei Minuten Kling Glöckchen sind Dir entgangen!

Ansonsten fallen uns ständig Dinge ein, die noch fehlen, Stoffscheren, Kloputzeimer, Schwämme, ein Unterstand für die Eltern der Kleinen, damit sie nicht im Regen draußen warten müssen, denn die Regenzeit beginnt momentan mit Macht. Die Klos müssen endlich auch geflies und hygienisiert werden, das Waschbecken fließt in die falsche Richtung ab, so dass die Füße gleich mitgewaschen werden, aber auch noch ein hautschmeichelndes Bad aus rotem Schlamm bekommen … Listen werden geschrieben mit Dingen, die zu reparieren und zu besorgen sind, und wir haben jetzt einen Hausmeister, den wir dringend brauchen.

Philipp hat sogar das Internet überlistet, unter EINEM Fenster im großen Saal funktioniert es. Es ist aber auch ein SEHR schönes Fenster.

Am nächsten Tag sehe ich den Kindern zu, wie sie in der Holzwerkstatt beginnen, aus Sperrholz Christbaumanhänger auszusägen, in Mada. Gibt es keine Laubsägen, das ist etwas völlig Neues (aus Deutschland), auch die Akku-Stichsäge funktioniert, man ist fasziniert. Und drüben in der Nähwerkstatt entstehen die ersten weichen Spielbälle. Bis zum Weihnachtsmarkt der reichen Schule Mitte Dezember müssen wir noch eine Menge Kram zum Verkaufen herstellen … denn wir werden jetzt die erste nachhaltige Spielzeugfabrik Madagaskars, die Dinge aus Holz, Stoff und Recyclingmaterialien macht.

Jaja, Kinderarbeit … aber die Augen leuchten beim Sägen doch sehr, und Sägen bringt Regen, war ja klar, also schnell alle wieder rein ins Atelier und drinnen weiterbasteln! Durstig stellt der Rasen seine grünen Stacheln auf. Ein weiterer Tag in Talata geht zu Ende.