Nous sommes 12 au trano atody – Wir sind jetzt 12 im Kinderhaus

Im Kinderhaus ist ein neuer Bewohner angekommen, der 9jährige Fitahiana. Er hat sofort Freunde gefunden und ist ein wirklicher Sonnenschein. Und nun darf er bald zum ersten Mal in seinem Leben zur Schule gehen. Aber über Fitahiana am Ende dieses Artikels mehr …

So viel ist geschehen, so viel zu berichten! Die fünften Klassen haben, bis auf wenige, ihre Prüfung bestanden, sie mussten extra dazu zu einer anderen Schule fahren, bei Trockenheit und Eiseskälte. Das Team begleitet die Examensklassen bei solchen Gelegenheiten mit Schokolade, Saft und ermunternden Worten. Bis auf zwei sind alle durchgekommen. Und das trotz Corona!

Und dann hat der Präsident beschlossen: Corona ist vorbei – als Madagaskar-Präsident kann man das. Wir vermuten, dass ihm irgendwelche Inder, Pakistanis oder Chinesen auf die Füße getreten sind, die ihre Einnahmen gefährdet sahen. In jedem Fall darf man plötzlich wieder Schulgebäude betreten, und das ist wunderbar: Unsere lang geplante „Ferienschule“ konnte endlich beginnen: Alle Kinder, die gerne möchten, dürfen vormittags in die Schule kommen, obwohl bis zum 26. Oktober noch offiziell Ferien in Madgaskar sind. Sie malen und bekommen vorgelesen, im Moment, und dürfen Filmchen sehen: Pippi in Taka Tuka Land! Unser erster komplett übersetzter madagassischer Roman. Erstaunen unter den Kindern: Pipi ist schon toll. Und so stark. Und dass die soviel Gold hat! Aber sie ist auch echt unvernünftig, also, dass die nicht in die Schule gehen will! Obwohl sie doch könnte! Tz-tz. In der Holzwerkstatt wird laubgesägt und geschmirgelt, demnächst gibt es Piratenboote für Pippi, die auf französisch ja Fifi heißt. Wenn nicht gelesen oder geschrieben wird, wird draußen getobt, balanciert und, nachdem endlich das Paket aus Deutschland ankam, dass fast ein halbes Jahr unterwegs war: In Röhren herumgelaufen. Das Leben kann so schön sein, wenn man nach Monaten wieder auf den Schulspielplatz darf!

Auch die Kinderhauskinder, die bisher nicht auf der Schule waren, dürfen nun hingehen und gewöhnen sich ein, der kleine Sedera, der zu Beginn niemanden ansehen konnte vor Angst, ist begeistert vom Lernen. Aber dann geben sich die Kinder im Krankenhaus die Klinke in die Hand: Ein Rektalprolaps wird diagnostiziert, Parasiten aller Art behandelt, Ohrenentzündungen kuriert, und dann haben wir fast einen Blinddarmdurchbruch. Um die 15jährige Tsiavahana, steht es schlecht … Doch dann geht doch noch alles gut, und nun ist sie operiert und darf wieder nach Hause. Zu Hause, das ist das Kinderhaus, mit all seinen unterschiedlich alten Rackern. Prisca hat gerade dort Geburtstag gefeiert, das Leben tobt. In der Schulkasse klafft ein riesiges Loch: Wenn wir weiterhin so viele Kinder behandeln (lassen), vor allem, wo jetzt bald die Schüler alle wieder aus den Ferien kommen – wie sollen wir das eigentlich finanzieren? Daher gibt es jetzt auf unserer Parrainage-Seite bald eine neue Art von Patenschaften: für die Gesundheit der Kinder. Wir hoffen, dass ein paar Ärzte sich erweichen lassen, uns zu unterstützen, denn wir sind (bald wieder) die Krankennotversicherung für 250 Schüler …

Ja, und dann kämpfen wir um Tafita. Eine Weile war er im Kinderhaus, schlief aber nicht dort, dann siedelte der Präsident mit einem Fingerschnippen alle Straßenbewohner kurzerhand in den Park um (na ja, was man so Park nennt), und Tafita bekam Kontakt zu einer Schlägerbande, die ihm erklärte, er müsste nicht mehr in das doofe Kinderhaus oder die Schule gehen und sollte lieber mit ihnen herumhängen. Haareraufen und Überzeugungsversuche auf unserer Seite, ich schrieb einen rührseligen Brief samt Photos für ihn, den Holy übersetzte, Holy ging fast jeden Tag hin, kümmerte sich um die todkranke Großmutter, versuchte, mit Tafita zu reden … Bis der Präsident die Straßenleute auch aus dem Park warf, sie sollten doch zurück nach Hause aufs Land gehen – aber die meisten haben kein Zuhause auf dem Land, schon lange nicht mehr. Also hieß es, es gäbe nun Wohn- und Essensgeld für Obdachlose. Am Ende gab es fünf Euro pro Kopf, einmalig eine Flasche Bratöl und ein Kilo Reis oder so. Na ja. Aber irgendwohin mussten Tafita und der Rest der Großmutter nun, und da fand sich überraschender Weise die Mutter von Tafita wieder, die sich die letzten 11 Jahre seines Lebens nicht um ihn gekümmert hat. Wenn man im horizontalen Gewerbe arbeitet und keine feste Bleibe hat, ist es ja auch schwer, die Übersicht über die Anzahl der eigenen Kinder zu behalten … Zu dieser Frau wollte Tafita nun so wenig, dass er lieber wieder zu uns kommt. Bei der Gelegenheit tauchte aus einer Ritze noch ein Halbbruder von Tafita auf, der in seinen 9 Lebensjahren weder je eine Schule noch ein Stück Seife gesehen hatte, und seit diesem Montag leben die beiden im Kinderhaus und schlafen auch dort. Der Kleine, Fitahiana, ist begeistert und sieht nach Kontakt mit Wasser schon ganz anders aus. Wir sind also 12 im Kinderhaus, nun sind alle Betten belegt.

Und am 26. Oktober soll die Schule für alle wieder losgehen! Auf in ein neues Schuljahr, diesmal bitte ohne Pandemie. Ich werde wieder Umweltunterricht – diesmal online – machen und bin gespannt. Wir werden eine „terminale“, eine Abiturklasse, dazu bekommen. Und – erstmal müssen Martine und das Team der Nähwerkstatt nun 102 !! neue Schuluniformen nähen, denn die alten haben die Kinder während der Coronazeit zu Hause getragen -durch den Shut Down war ja noch weniger Geld in den Familien, um Kleider zu kaufen – und sie hängen in Fetzen. Also machen sie sich ans Ausmessen …

Wir haben einige neue Paten gefunden für Straßenkinder aus dem Straßenkinderprogramm, deren Patenschaften zeitlich begrenzt waren, suchen aber noch immer welche. Unsere erste Paty in Deutschland war sehr schön, Kinder und Erwachsene haben Tauben gebastelt, und das Lehrerteam in Talata war so gerührt davon, was wir in Deutschland für sie tun und wie wir an sie denken, das beim Anblick der Photos ein paar Tränchen verdrückt wurden …. Wir brechen also bald auf in ein neues, buntes Schuljahr. Erste Projekte: die zweite Weihnachts-CD / 200arbres – ein Nachpflanzprojekt am See in Talata. Projekte in Deutschland: Wir sammeln Gesundheitspaten / Wir planen unser Projekt „Wissen Wieg Nichts“, denn im kommenden Schuljahr sollen drei Lehrkräfte nach Deutschland kommen, um moderne Pädagogik zu sehen und zu lernen. Hospitationsplätze an einer Montessorischule und einer Förderschule haben wir schon. Mal sehen, ob wir es schaffen, sie herzuholen! Im Gegensatz zu alten Singernähmaschinen oder einer Holzfräse, die ich beinahe geschenkt bekommen hätte, ist Wissen ja leicht und kann gut nach Mada mitgenommen werden … Um dort an Kollegen weitergegeben zu werden und Kreise zu ziehen. Drückt die Daumen, dass es klappt und ein paar Goldbarren vom Himmel fallen, um die Flüge zu finanzieren.